Wenn ein Baby geboren wird, sind wir bereit, alles zu tun: Wir tragen, stillen, wiegen, stehen nachts auf, halten es stundenlang im Arm. Unsere ganze Aufmerksamkeit gilt diesem kleinen Wesen – und das ist gut so. Es ist sogar biologisch verankert: Das weibliche Gehirn verändert sich während Schwangerschaft und Stillzeit, um sich voll auf das Baby einzulassen.
Doch was passiert, wenn aus dem Baby ein (Klein)Kind wird?
Plötzlich ist unsere und die Gesellschaftliche Erwartungshaltung eine völlig andere.
Das (Klein)Kind soll plötzlich still sitzen, den Mund zu machen beim Kauen, die Schuhe allein anziehen, hier schauen und da mitmachen.
Natürlich ist es unser Ziel, unsere Kinder zu selbstständigen, verantwortungsvollen Menschen zu begleiten. Doch oft vergessen wir dabei: Das Gehirn eines Kleinkindes ist noch mitten im Aufbau. Die Strukturen, die für Impulskontrolle, Perspektivwechsel oder logisches Denken notwendig sind, entwickeln sich erst nach und nach – und das dauert Jahre.
„Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.“
– Afrikanisches Sprichwort
🧠 Entwicklung verstehen statt Verhalten bewerten
Wir können von einem Kind nicht erwarten, was es neurologisch noch gar nicht leisten kann. Wenn ein Zweijähriger „nein“ schreit oder ein Fünfjähriger beim Spaziergang nicht mehr laufen will, ist das kein Zeichen von Manipulation oder Faulheit. Es ist Ausdruck eines Bedürfnisses – und oft ein Ruf nach Verbindung.
Was wir brauchen, ist Wissen über kindliche Entwicklung. Und die Bereitschaft, unsere eigenen Erwartungen zu hinterfragen. Denn viele unserer Reaktionen stammen aus unserer eigenen Kindheit – aus Erfahrungen, die wir unbewusst weitergeben.
🧭 Elterliche Fürsorge & Führung – statt Kontrolle und Druck
Die Begriffe „Elterliche Fürsorge“ und „Elterliche Führung“, wie sie Kathy Weber beschreibt, helfen uns, eine neue Haltung einzunehmen. Es geht nicht darum, Kinder zu kontrollieren, sondern sie liebevoll und klar zu begleiten. Ihnen Orientierung zu geben, ohne sie zu überfordern. Und dabei auch unsere eigenen Grenzen zu wahren.
💬 Babys manipulieren nicht – und Kleinkinder auch nicht
Zum Glück hat sich in den letzten Jahren viel getan: Viele Eltern wissen heute, dass Babys nicht verwöhnt werden, wenn man sie trägt oder auf ihr Weinen reagiert. Doch dieses Wissen endet oft beim ersten „Trotzanfall“. Unser Körper reagiert in für uns stressigen Reaktionen in unterschiedlicher Ausprägung und je nach dem welch eigene Erfahrungen wir als Kind für „solch ein“ Verhalten erfahren haben.
Auch ein Zweijähriges manipuliert nicht. Auch ein Fünfjähriges wird nicht „verzogen“, wenn wir es im Kinderwagen schieben, weil es müde ist. Es ist kein Rückschritt – es ist die Erfüllung von einem Bedürfnis.
🪞 Elternschaft ist vor allem Arbeit an sich selbst
Wir Eltern tragen die Verantwortung – nicht nur für unsere Kinder, sondern auch für unsere eigene Weiterentwicklung. Es ist unsere Aufgabe, uns zu informieren, zu reflektieren und alte Muster zu hinterfragen. Das ist nicht immer leicht. Doch es ist der Weg zu einer echten, tragfähigen Beziehung zu unseren Kindern.
Elternschaft ist kein Projekt zur Verhaltensoptimierung unserer Kinder – sondern eine Einladung zur Selbstentwicklung.
Wenn wir bereit sind, hinzuschauen, zu lernen und uns selbst zu verändern, dann können wir unsere Kinder wirklich begleiten – mit Herz, Verstand und Geduld.